5 Lösungen für das Problem mit der Plastikflut im Supermarkt

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Seit fast 1,5 Jahren sind in der EU Einwegbesteck und -teller, Wattestäbchen und Strohhalme aus Plastik sowie einige andere Einwegplastikprodukte verboten. Was hat das bisher gebracht?

Symbolisch viel, ökologisch weniger. Es waren klare politische Signale, dass wir uns von der Wegwerfgesellschaft verabschieden müssen, und es hat ein Umdenken in der Industrie bewirkt. Auf Natur und Umwelt hat es jedoch nur geringe Auswirkungen. Dafür ist die Menge der verbotenen Produkte zu klein; die meisten Verpackungsalternativen wie Papier und Holz verursachen wiederum andere Probleme.1

Der Erfolg solcher Verbote hängt maßgeblich davon ab, wodurch die Kunststoffe ersetzt werden. Denn neben all den Problemen des Plastiks muss erst einmal eine Alternative gefunden werden, die ähnlich vielseitig ist. Im Supermarkt erfüllen Plastikverpackungen viele Funktionen, die andere Materialien nicht so gut beherrschen: Sie halten Lebensmittel länger frisch, schützen fragile Produkte wie Weintrauben beim Transport, sind leicht und oft durchsichtig, sodass Verbraucher:innen Produkte begutachten können. Außerdem sind sie sehr günstig. Gerade wegen des Preises wird Plastik in so großen Mengen produziert und verwendet, selbst dann, wenn es nicht sein müsste.

So plant die EU, gegen Plastik vorzugehen

Dagegen will die Europäische Kommission nun rigoros vorgehen. In einem Gesetzentwurf vom November 2022 will sie die bestehenden Verbote verschärfen. Sie plant, »unnötige« Plastikverpackungen zu verbieten und die Herstellungsmenge zu verkleinern. Stattdessen will die Kommission aktiv wiederbefüllbare Lösungen und Recycling fördern. Bis 2030 sollen alle Verpackungen auf dem EU-Markt auf »wirtschaftlich vertretbare Weise« recycelt werden können. Das bedeutet im besten Fall das Ende für Multilayer-Verpackungen, die aus einem untrennbaren Materialmix bestehen und deswegen verbrannt werden. Wie genau die überarbeitete Verpackungsverordnung aussehen wird, müssen EU-Parlament und Rat mit den Ländern ausdiskutieren. Das fertige Gesetz soll aber noch in der Amtszeit der jetzigen Kommission stehen – also bis Ende Oktober 2024.

Es gibt aber ein Land, das den Plänen der EU schon weit voraus ist: Frankreich.

Unser Nachbar will bis 2040 alle Arten von Einwegkunststoff – inklusive jeglicher Verpackungen – verbieten. Das Ziel wurde 2020 im französischen Kreislaufwirtschaftsgesetz verankert, und Frankreich hat direkt losgelegt. Seit 1. Januar 2022 darf jegliches Obst und Gemüse unter 1,5 Kilogramm nicht mehr in Plastik verpackt verkauft werden – bis auf wenige Ausnahmen.

In der Theorie ist das Vorhaben ambitioniert, in der Praxis wird es von der Verpackungsindustrie sabotiert. So gelang es Vertreter:innen der Plastikindustrie, erfolgreich gegen die Verordnung zu klagen und sie Ende 2022 kurzzeitig außer Kraft zu setzen.2 Diane Beaumenay von der Nichtregierungsorganisation Surfrider Foundation erklärt, dass die Plastikindustrie die Verordnung dadurch verzögern wollte. Weit kamen sie damit nicht: Bis zum 12. Januar dieses Jahres fand eine öffentliche Anhörung3 statt, an der 1.500 Bürger:innen, Nichtregierungsorganisationen und die Industrie teilnahmen. Das Ergebnis: ein ambitionierteres Gesetz mit weniger Ausnahmen, die alle zum selben Zeitpunkt in Kraft treten.4 »Der Staat hat nicht nachgegeben und der Industrie eine lange Nase gezeigt«, sagt Beaumenay.

2 große Kritikpunkte an Frankreichs Vorhaben bleiben:

  • Plastik muss laut Gesetz nur im Supermarkt eingespart werden, jedoch nicht beim Transport von den Landwirt:innen zum Supermarkt. Das lässt viel Spielraum für Greenwashing.5
  • Das Verbot gilt nur für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse. Tiefkühlware oder bereits geschältes oder geschnittenes Gemüse aus dem Kühlregal betrifft dies nicht.

Auch auf EU-Ebene argumentieren Kunststoffhersteller bereits gegen den Vorschlag der EU-Kommission. Doch der Druck ist inzwischen so groß, dass eine Verschärfung in der EU sehr wahrscheinlich ist. Um sich nicht von den neuen Gesetzen überrollen zu lassen, sollten sich die Verpackungsindustrie und Supermärkte rechtzeitig auf den Wandel einstellen. Und das ist gar nicht so schwierig, wie manch ein:e Lobbyvertreter:in das Parlament glauben machen will. Denn es sind schon viele Lösungen im Umlauf, womit der Handel jetzt sofort Plastik einsparen kann – ohne gleich zum Unverpacktladen zu werden.

1. Essbare Verpackung aus dem Meer für Takeaways

Die Takeaway-Kühltheke ist verlockend. Doch bei den einzeln in Plastik verpackten Falafeln, Salatsoßen und Karottensticks leidet das grüne Gewissen schnell. Dabei muss das nicht sein. Verschiedene Start-ups sind auf das »Wundermittel Alge« gekommen, um daraus ein pflanzliches Plastik herzustellen. Anders als herkömmliche Biokunststoffe, die aus Stroh oder Maispflanzen hergestellt werden, stehen Algen nicht mit den landwirtschaftlichen Flächen für Lebensmittel in Konkurrenz. Sie haben weitere Vorteile: Zunächst bindet eine Seealgenfarm 20-mal so viel CO2 wie ein gleich großer Wald und braucht keine Düngemittel oder Frischwasser. Noch dazu wächst Seetang mit einem Meter pro Tag sehr schnell nach.

Seetang lässt sich zu etwa 2 Jahre haltbaren Verpackungen verarbeiten. Besonders geeignet sind Algenverpackungen für Flüssigkeiten wie Geschirrspülmittel, Instantnudeln oder Ketchup. Bei den Instantnudeln kocht man beispielsweise die Verpackung einfach mit. Sie kann sich im Nudelwasser geschmacksneutral auflösen. Mit dieser Idee können auch dünne, schwierig recyclebare Plastikfolien ersetzt werden. Nicht essbare Varianten wie Kartonverpackungen mit Seegrasbeschichtungen sind laut den Unternehmen kompostierbar. Im Gegensatz zu anderen Formen von Bioplastik sind Algenverpackungen nicht nur pflanzlich, sondern auch biologisch abbaubar im Kompost oder Biomüll. Das könnte die Bioplastikproduktion stark voranbringen.

Die Algenverpackungen sind durchsichtig und essbar.

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Claudia Wieczorek

Was sagt die Forschung dazu? Forschende der Universität Tübingen fanden heraus, dass sich Bioplastik aus Mikroalgen, also Blaualgen, eher für kurzlebige Verpackungen eignet. An der Universität Bremen arbeiten Forschende an einem Seetang-Verpackungsprojekt für die Marke Nordsee. Ein weiterer Vorteil der Mikroalgen: kurze Transportwege nach Bremerhaven, da die Algen in der Nord- und Ostsee leben.

In deutschen Supermarktsortimenten gibt es Algenverpackungen bis auf Takeaway-Produkte von JustEat Takeway und deren seegrasbeschichtete Kartonverpackungen noch nicht. Die hohen Herstellungskosten sind für viele eine Hürde. Diese würden aber schnell sinken, wenn sich weitere Unternehmen beteiligen würden. Den Start macht Migros ab April 2023 mit in Alginat verpackten Kaffeepulverbällchen, die Kaffeekapseln aus Aluminium ersetzen sollen.

2. Eine zusätzliche Haut für Obst und Gemüse

Ganz nackt liegen Paprika und Avocado dann doch selten im Supermarkt. Das hat einen Grund: Plastikverpackungen machen Obst und Gemüse entlang der gesamten Lieferkette länger haltbar. Und das garantiert, dass weniger verdorbenes Obst und Gemüse entsorgt werden muss.

Einige Supermärkte in Deutschland haben für dieses Problem eine umweltfreundliche und unsichtbare Lösung gefunden. Rewe, Penny und Edeka besprühen beispielsweise ihre Avocados und Südfrüchte seit 2 Jahren mit einem geruchs- und geschmacklosen Schutzspray.

Diese Schutzsprays sind seit 2019 von der EU zugelassen6 und bestehen aus Zuckermolekülen oder pflanzlichen Fetten. Sie werden mit natürlichen Stoffen angereichert, die gegen Bakterien und Schimmelpilze wirksam sind. Dadurch soll der Reifeprozess verlangsamt und das Obst und Gemüse 2–3-mal länger frisch gehalten werden als ohne dieses sogenannte »Coating«. Die »Ummantelung« kostet die Supermärkte zudem nur wenige Cent pro Frucht oder Gemüse.

Das Coating ist bei Rewe und Co. (und ihren jeweiligen Discountern) gut angekommen: Die Kund:innen akzeptieren die plastikfreien,7 besprühten Avocados, Zitronen und Orangen. Nun soll es auf immer mehr Obst- und Gemüsesorten ausgeweitet werden. Mit einer Einschränkung: EU-Bioprodukte dürfen grundsätzlich nicht besprüht werden.

3. Tätowierte Kiwis und Gurken

Gerade EU-Bioprodukte, die oft als Zeichen für Frische und Nachhaltigkeit verpackungsfrei verkauft werden, bekommen häufig eine Verpackung übergestülpt. Denn laut Gesetz müssen sie klar von konventionellen Produkten unterschieden werden. Darum enden die Biolebensmittel manchmal doch in Verpackungen oder werden mit Plastikaufklebern versehen.

Als Lösung haben Forschende das »Natural Branding« erfunden. Dabei wird Obst und Gemüse mit einem Laser zum Beispiel mit dem Bio-Siegel gekennzeichnet. Das Verfahren ist seit 2013 in Deutschland erlaubt. Bisher nutzen Rewe, Penny, Edeka und Aldi die tätowierte Kennzeichnung für Biolebensmittel wie Süßkartoffeln, Kiwis, Avocados oder Gurken. Für eben diese Lebensmittel mit festeren Schalen ist das Natural Branding gut geeignet. Zu kleine Früchte oder Zitrusfrüchte können nicht markiert werden, da diese die veränderten Schalenpigmente neu bilden und die Markierung aus diesem Grund verbleicht.

Ein Hof in Dachau erklärt in diesem Video, wie die Lasermarkierung die Farbpigmente in der obersten Hautschicht verändert, und zeigt, dass das Obst und Gemüse durch die Markierung nicht beschädigt wird:


Youtube Video

Ein weiterer Vorteil: Gerade Paprika, die oft in 3er-Packs angeboten werden, können nun einzeln verkauft werden. So können die Kund:innen die Anzahl an Obst und Gemüse kaufen, die sie wirklich brauchen – und es landet weniger in der Tonne.

Am besten wäre eine Kombination aus essbarem Schutzspray für eine längere Haltbarkeit und dem Natural Branding, dann könnte mehr fragilem Obst und Gemüse die Plastikverpackung erspart bleiben. Das ist jedoch aktuell aufgrund von EU-Verordnungen noch Zukunftsmusik.

4. Müsli, Shampoo, Wasser und Bier zum Nachfüllen

Für Haferflocken, Nüsse, Nudeln und Trockenfrüchte haben sich Nachfüllstationen in Unverpackt- und Bioläden bewährt. Allmählich tasten sich auch konventionelle Supermärkte vor. Aldi testete 2021 Abfüllstationen für Nudeln und Reis, Kaufland, Rossmann und dm für Wasch- und Spülmittel der Eigenmarken. Der Schweizer Supermarkt Coop probiert sogar Trinkwasser und Bier zum Nachfüllen aus, andere Marken testen das Gleiche für Shampoo.

Der Ablauf ist dabei immer ähnlich: Kund:innen müssen ihre eigenen Behälter mitbringen oder sie vor Ort kaufen. Diese wiegen sie, füllen sie auf, wiegen sie erneut. Die Waage berechnet die Differenz und den Preis. Ein Beleg wird ausgestellt und an der Kasse bezahlt. Damit können Verbraucher:innen genau so viel kaufen, wie sie brauchen, und der Handel spart Verpackungen und teilweise sogar Geld. Nudeln, Trinkwasser und Bier können so nämlich in großen Mengen angeliefert werden.

So richtig durchgesetzt haben sich die Nachfüllstationen in Supermärkten und Discountern jedoch nicht. Laut dem Handelsblatt machten Wasch- und Putzmittel zum Selbstabfüllen Ende 2021 nur 0,1% vom Marktanteil aus. Der Grund: Es braucht Planung, um seine eigenen Gefäße mitzubringen, und Verbraucher:innen würden ihr Kaufverhalten nicht entsprechend anpassen. Darum haben viele Märkte ihre Versuche wieder eingestellt oder auf wenige Produkte beschränkt. Nachfüllstationen funktionieren bei manchen Produkten besser als bei anderen. Müsli und Trockenfrüchte abzufüllen ist für viele bereits eine geläufigere Vorstellung als Reinigungsmittel, Wasser, Bier oder Shampoo. Da Abfüllanlagen mehr Platz brauchen, müssen Supermärkte ihre angebotenen Sorten, Marken und Duftrichtungen einschränken. Vielleicht braucht die Lösung nur mehr Zeit, damit sich Einkäufer:innen der verschiedensten Märkte an die Idee gewöhnen.

5. Lieber hart statt flüssig

Es sieht aus wie ein Spülmaschinen-Tab, kann aber auch ein Spülmittel, Fensterreiniger oder Universalreiniger sein. Einige Drogerie- und Supermärkte bieten inzwischen Reinigungsmittel als festes Konzentrat an, das zu Hause nur mit Wasser angerührt werden muss.8 Viele Reinigungsmittel bestehen zu einem Großteil aus Wasser – und nehmen so in den Regalen unnötig viel Platz ein.

Es gibt nicht nur Shampoo und Körperseife als feste Produkte, sondern auch Deos, Zahnpasta und Creme.

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Claudia Wieczorek

Genauso sieht es mit festem Duschgel und Shampoo aus, die es inzwischen in fast jedem Supermarkt zu finden gibt. Laut der Verbraucherzentrale NRW kann ein festes Shampoobar 2–3 Shampooflaschen ersetzen. Zudem würde es sogar den eigenen Geldbeutel schonen, da Flaschenshampoo oft überdosiert werde. Und das Beste: Feste Haarpflegemittel, Deos und auch Reinigerkonzentrate können ganz ohne Plastik in Pappe verpackt werden.

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