“Der Klimawandel wird laut Experten in großen Teilen ungebremst erfolgen”
Dieser Titel erschien in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.09.2023 anlässlich des Hamburger Extremwetterkongress. Dem einhelligen Konsens der versammelten Wissenschaftler zur Folge hat die Menschheit die Chance zur Stabilisierung des Weltklimas verpasst. Der Klimawandel wird die 1,5 Grad Marke überschreiten.
Ein guter Grund mal zu schauen, wo wir stehen und was die 3 Grad eigentlich bedeuten. Hierzu möchten wir euch den Vortrag von Prof. Dr. Rahmstorf vom 28. April 2023 im Helmholtz-Zentrum Leipzig empfehlen.
Stefan Rahmstorf leitet die Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und ist Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam.
Seit vielen Jahren informiert er in seinen Vorträgen, Büchern und in den sozialen Medien über die Ursachen, Zusammenhänge und Folgen des menschengemachten Klimawandels. Hier sein Vortrag von vor wenigen Tagen als YouTube Aufzeichung und im Folgenden stichpunktartig einige seiner im Vortrag gezeigten Folien mit entsprechenden Anmerkungen.
Noch steuert die Menschheit ungebremst auf eine 3 Grad wärmere Welt zu. Wie wird sie für uns und unsere Kinder aussehen? Wie können wir sie noch verhindern? Das erläutert der renommierte Klimaforscher Prof. Stefan Rahmstorf in diesem kurzen Vortrag zum Buch “3 Grad Mehr” im Helmholtz-Zentrum Leipzig.
Wo stehen wir?
Von der Eiszeit ins Holozän – dem gegenwärtigen Zeitabschnitt der Erdgeschichte – erwärmte sich die Erde um sechs bis sieben Grad und ließ ca. zwei Drittel der Eismassen schmelzen und den Meeresspiegel um 120 Meter ansteigen. Damit haben wir noch ein Drittel der eiszeitlichen Eismasse, die, wenn sie schmilzt, den Meeresspiegel um gut 65 Meter ansteigen lässt.
Die “Warming Stripes” machen es deutlich. Jede Linie steht für die Temperatur eines Jahres. Die Streifen beginnen 1880 und enden heute mit einer globalen Erwärmung von 1,2 Grad.
Der Klimawandel ist in Deutschland mit 2,3 Grad bei einer etwa doppelt so starken Erwärmung angekommen wie im weltweiten Durchschnitt mit 1,2 Grad. Das ist so erwartet und vorhergesagt worden. Es ist auch nicht überraschend, weil 70% des Globus aus Meeresflächen besteht und die Ozeane sich durch die thermische Trägheit langsamer und auch insgesamt weniger erwärmen aufgrund der Verdunstung.
Das bedeutet aber auch, dass ein globales 3 Grad Szenario uns irgendwo zwischen 5 und 6 Grad Erwärmung bringen wird, weil wir in Deutschland aus den besagten Gründen mit der doppelten Erwärmung rechnen müssen.
Bei einem solchen Szenario würden wir unser Land und die Welt insgesamt sicherlich nicht mehr wieder erkennen. Die Folgen wären katastrophal.
Eine unbequeme Wahrheit.
Um es klar zu sagen, der Anteil an der von uns eindeutig messbaren Erderwärmung trägt zu 100% der Mensch. Es gibt keinen natürlichen Anteil an dieser Veränderung. Diese Realität mag unangenehm sein, birgt aber auch eine große Chance, da wir nichts verändern müssen, das wir nicht verändern können, um dem Klimawandel entgegenzutreten. Alles was den Klimawandel verursacht hat, ist von uns Menschen verursacht worden und kann somit auch von uns wieder verändert werden. Das sollte uns Ansporn und Hoffnung sein. Wenn wir also als Menschheit scheitern sollten, tun wir das ausschließlich aus uns heraus und nicht wegen einer unbekannten Macht, einem Gott oder einem Naturereignis, welches wir nicht beeinflussen können.
Die Extreme nehmen zu.
Im April diesen Jahres wurde der Temperaturrekord in Cordoba in Spanien um fast 5 Grad überboten. Leider haben solche extremen neuen Rekordwerte in den letzten Jahren immer häufiger an verschiedenen Stellen des Planeten stattgefunden.
Die Grafik links zeigt die Häufigkeit der Wärmeanomalien nach einer Stärkeskala von 1 bis 4 in den Monatswerten an. Die dunkelrote Linie ist eine Veränderung, die es bis vor Beginn der globalen Erwärmung in der Referenzperiode 1950 bis 1980 so gut wie nie gab und die heute bereits 90 Mal häufiger auftritt. Solche Hitzewellen mit mehreren 10.000 Toten in Europa gäbe es ganz sicher ohne globale Erwärmung nicht.
Bei einer weiterer Erwärmung werden Teile der Erdoberfläche schlicht zu warm, um zum Leben geeignet zu sein. Hier ist eine Studie aus den Proceedings der National Academy of Sciences der USA (PNAS).
Die schwarz gezeigten Gebiete sind einfach so heiß, dass man sich über längeren Zeitraum, also mehreren Wochen nicht im Freien wird aufhalten können. Dort wird das Leben für Menschen voraussichtlich nicht mehr möglich sein. Viele der dort lebenden Menschen werden aufbrechen und sich einen neuen Lebensraum suchen müssen. Es ist schwer abzuschätzen, wie viele Menschen es betreffen wird, aber es werden viele sein, wenn man sich die schwarzen Flächen gerade in Gebieten wie Indien anschaut. Hierdurch werden vielfältige Konflikte, Verteilungskämpfe und kriegerische Auseinandersetzungen ausgelöst oder verstärkt werden.
Dürre und Flut zwei Seiten der gleichen Medaille.
Eine andere extreme Folge der Erwärmung ist die zunehmende Dürre. In Europa wird der Mittelmeerraum austrocknen. Das passiert auch längst, wie es die Messdaten zeigen und Modelle lange vorhergesagt haben.
Wir sehen klar eine Abnahme der Niederschläge im Mittelmeerraum. Die zunehmende Verdunstung in Folge der Erwärmung führt ferner zur Austrocknung der Vegetation und der Böden. Auch sieht man, dass Gebiete wie Syrien sehr von dieser Austrocknung betroffen sind. In Syrien erlebten die Menschen vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs die schlimmste Dürre seit mindestens 900 Jahren, in deren Folge es 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge gab.
Die Kehrseite der Dürre ist, dass die Extremniederschläge zunehmen. Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen und bei entsprechender Wetterlage auch abregnen. Die Daten zeigen deutlich, dass wir den Bereich der zufälligen Starkregen verlassen haben und Extremniederschläge sich nun statistisch signifikant erhöht haben. Das sind solche Ereignisse, wie sie zur Flutkatastrophe im Ahrtal geführt haben.
Schweizer Wissenschaftler haben in einer Studie im Jahr vor der Ahrtal-Flut für Deutschland Österreich Schweiz und den Niederlande gezeigt, dass extrem Niederschläge für diese Regionen deutlich zunehmen werden, wohl auch stärker als im weltweiten Durchschnitt.
Der Anstieg des Meeresspiegels
Wenn man Wasser erwärmt, dehnt es sich aus und wenn man Eis erwärmt schmilzt es. Beides führt dazu, dass der Meeresspiegel ansteigt.
Inzwischen sehen wir in den Satelliten-Daten, dass der Meeresspiegelanstieg sich sogar beschleunigt, was ja auch logisch ist. Je wärmer sowohl die Luft als auch die Ozeane werden, desto schneller schmelzen die Kontinentaleismassen und desto schneller steigt auch der Meeresspiegel.
Wie Eingangs erwähnt, sind aus der letzten Eiszeit noch ein Drittel der eiszeitlichen Eismasse in Antarktis und Grönland vorhanden, die unseren Meeresspiegel um 65 Meter ansteigen lassen können. Ein wirklich guter Grund, jetzt die CO2 Emissionen zu reduzieren.
Unumkehrbare Ereignisse nehmen zu.
Ein weiteres Problem sind die sogenannten Kipppunkte im Klimasystem, von denen hier einige gezeigt sind. Ein Kipppunkt ist ein Punkt, ab dem die weitere Entwicklung eines Systems zu einem Selbstläufer wird, ohne dass die Entwicklung weiter angeschoben werden muss. Ein Glas, das ich zur Tischkante schiebe, wird irgendwann zu Boden fallen und zwar schon, bevor ich es komplett über die Tischkante habe schieben müssen. Auf die Kipppunkte im Klimasystem bezogen, bedeutet dies, das sich Prozesse nicht mehr anhalten lassen und ohne weiteres Zutun von außen weiterlaufen.
Die Kontinentaleismassen auf Grönland und in der Antarktis haben Kipppunkte, ab dem der Totalverlust des Eises nicht mehr aufzuhalten sein wird. Aber auch biologische Systeme haben solche Kipppunkte. Wir kennen das Umkippen eines Ökosystems beispielsweise aus der Gewässerökologie, wenn im Sommer der See “umkippt” oder bei Wäldern, die vertrocknen und absterben und am Ende in Flammen aufgehen, weil natürlich auch die Gefahr für Waldbrände bei großer Trockenheit ansteigt.
Die Korallenriffe haben ihren Kipppunkt wahrscheinlich in großen Teilen der Welt bereits überschritten. Dreiviertel des Great Barrier Reefs in Australien ist schon ausgebleicht, weil das Wasser für die Korallen zu warm geworden ist.
Das Risiko, Kipppunkte zu überschreiten, steigt bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad auf 2,5 Grad Erwärmung von einem moderaten Risiko auf ein hohes. Dabei ist alleine schon ein Risiko, welches als moderat angegeben wird, zu gefährlich und birgt für nachfolgende Generationen schlecht einzuschätzenden Veränderungen und Gefahren. Die Überschreitung der 1,5 Grad wird diese Gefahren und die Folgen nur noch mehr