Wir alle sind süchtig nach Plastik. So gelingt der Entzug

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Jedes Land der Welt hat ein Problem mit Plastik. Selbst auf abgelegenen Hängen im Himalaja-Gebirge oder im tiefsten Ozean wurde unser Zivilisationsdreck schon gefunden. Das ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern ein wahrer »Krisenjackpot«. So nennen die Investigativ-Journalist:innen Benedict Wermter und Jaqueline Goebel unseren gedankenlosen Umgang mit Plastik treffend.

Denn der ist eine …

  • Umweltkrise: Plastikabfälle und ihre chemischen Zusatzstoffe verschmutzen die Natur.
  • Biodiversitätskrise: Dabei schädigt es die kleinsten bis hin zu den größten Lebewesen. Fische und Wale sterben mit Plastik im Bauch, Schildkröten ertrinken in Netzen und es verschlechtert das Wachstum von Korallen.
  • Gesundheitskrise: Mikroskopisch kleine Plastikteilchen, die wir Menschen unweigerlich verzehren, können uns krank und anscheinend sogar weniger fruchtbar machen.1
  • Klimakrise: Kunststoffe werden aus fossilen Rohstoffen hergestellt, deren Förderung, Verarbeitung und Verbrennung die Hauptursache der Klimakrise sind.
  • Verteilungskrise: Besonders Menschen im Globalen Süden leiden unter der Verschmutzung des Plastikmülls, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen haben.
  • politische Krise: Gesetze und Verbote werden von der Plastikindustrie immer wieder umgangen.
  • wirtschaftliche Krise: Zumindest sind wir auf dem Weg dorthin, finden die 2 Autor:innen, sobald die wirklichen Kosten für die oben genannten Probleme bei der Plastikindustrie ankommen.

Benedict Wermter und Jacqueline Goebel präsentieren ihr Buch »Die Plastiksucht«. Die Journalistin recherchiert seit 8 Jahren zum Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaft und Umwelt.

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In ihrem im Mai 2023 erschienen Buch »Die Plastiksucht« zeichnen die beiden Journalist:innen Wermter und Goebel ein hintergründiges Bild von den Ausmaßen des Plastikproblems. Dafür haben sie jahrelang zum Thema recherchiert, sind etwa illegalen Müllexporten nach Bulgarien, Malaysia und in die Türkei gefolgt. Doch sie haben nicht nur versucht, das Problem zu verstehen und zu erklären, sondern auch nach Lösungen gesucht. Herausgekommen sind 12 Schritte aus der Plastiksucht.

Welche das sind und wie wir trotz Krisenjackpot mit Zuversicht in die Zukunft blicken können, erklärt mir einer der Autor:innen, Benedict Wermter, im Interview.

Désiree Schneider:
Sind Sie süchtig nach Plastik?
Benedict Wermter:
Ja, klar. Ich bin so süchtig nach Plastik wie alle anderen. Ich bin davon in meinem alltäglichen Leben abhängig. Das ist auch in Ordnung. Schließlich ist Kunststoff der beste Werkstoff, den wir zurzeit haben. Wir lösen damit viele gesellschaftliche Herausforderungen und das steht für Fortschritt. Im Bereich Medizin, Bauen und Mobilität ist Kunststoff natürlich ein sehr wichtiges Element. Und natürlich bin ich auch ein Stück weit abhängig von diesen schnelllebigen Kunststoffen, die das Sorgenkind der Plastikindustrie sind – auch gesellschaftlich gesehen. Dem versuche ich im Rahmen meiner Möglichkeiten entgegenzuwirken. Ich gebe mein Bestes, komme aber auch nicht ganz daran vorbei.

Menschen, die bereits mit Suchtkrankheiten zu tun hatten oder Menschen in ihrem Umfeld haben, die davon betroffen sind, finden es vielleicht seltsam, von einer »Plastiksucht« zu sprechen. Sie verwenden das Wort sogar für den Titel Ihres Buches. Warum funktioniert der Vergleich?
Benedict Wermter:
Der Vergleich hinkt etwas, weil man von Plastik nicht körperlich abhängig werden kann. Das wissen wir. Aber wir haben uns dennoch für diesen Titel entschieden, weil es nicht nur um die Konsumenten und Konsumentinnen geht, die ein Stück weit abhängig oder süchtig danach sind, sondern um Konzerne. Sie waren das Hauptziel unserer Wirtschaftsrecherche. Darum heißt auch der Untertitel »Wie Konzerne Milliarden verdienen und uns abhängig machen«. Auch die Wirtschaft und Großkonzerne sind von Plastik abhängig und haben ihr Geschäftsmodell darauf aufgebaut. Sie sind süchtig danach, immer mehr zu produzieren, und machen uns davon übermäßig abhängig.

Außerdem habe ich mich einige Zeit vor dem Buch mit Suchtpolitik beschäftigt. Da gibt es das 4-Säulen-Modell. Es ist für uns sehr einleuchtend, dass man die ganzen Maßnahmen, die man politisch und wirtschaftlich treffen kann, um aus der Plastikkrise zu kommen, auch in ein 4-Säulen-Modell einteilen kann.

Also wie in der Drogenpolitik. Was genau sind die 4 Säulen des Modells?
Benedict Wermter:
Da geht es einerseits um Prävention, präventive Maßnahmen, zum Beispiel Müll durch Mehrwegkonzepte zu vermeiden.

Dann geht es um Therapie. Da fällt in unserem Fall alles rund um Recycling drunter.

Die dritte Säule ist die Schadensminimierung. Die ist in der Suchtpolitik ganz bekannt, dazu gehören Safer Drug Use, Spritzenaustausch oder Drug-Checking. Das wären in der Plastikindustrie die Aufräumaktion, auch die industrielle Müllverbrennung vielleicht. Also Dinge, die man macht, um größeren Schaden abzuwenden.

Schließlich gehört natürlich eine starke Gesetzgebung dazu. In der Drogenpolitik wäre es Strafverfolgung, das braucht es hier auch. Es muss starke Gesetze und Verordnungen (Regulierung) in der Plastikindustrie geben, die müssen dann natürlich auch umgesetzt werden.

Auf einzelne Bestandteile davon kommen wir gleich zu sprechen. Vorab: Haben Sie Beispiele, wie tief die Sucht des Menschen nach Plastik ist, an die man vielleicht sonst nicht sofort denken würde?
Benedict Wermter:
Wir alle haben es schon fast vergessen, aber man muss sich nur mal umgucken: Sie haben Plastik auf dem Kopf (Kopfhörer), ich habe auch Plastik in den Ohren (Headphones). Ich schaue auf ein teilweise aus Kunststoff bestehendes Gerät (Laptop), darunter liegt wiederum eine Unterlage aus Kunststoff und ich sitze auf Kunststoffbezügen. Es durchdringt unseren Alltag überall. Und wir gehen eben so weit zu sagen – nicht nur wir, auch die Wissenschaft –, dass wir so viel Polymere2 und Kunststoffe produzieren, dass wir in einem Plastik-Zeitalter leben und man diese später auch im Boden finden wird.

Einen Teil der Kunststoffe brauchen wir, da werden wir nicht drum herumkommen. Aber dann gibt es eben einen Haufen unnötigen und schädlichen Mist, an dem wir arbeiten müssen.

Suchtkranke machen einen Entzug durch. Wie muss ich mir das dann bei Plastik vorstellen?
Benedict Wermter:
Sie haben es gerade schon selbst gesagt: Suchtkranke machen einen Entzug durch. In der Plastiksucht wäre das der Verbraucher oder Konsument, der einen Entzug machen muss. Aber das ist gar nicht unser Hauptaugenmerk. Das können wir als Konsumenten kaum leisten; sagen auch Studien.

Sondern?
Benedict Wermter:
Wir müssen die entsprechende Infrastruktur und Begebenheiten für einen Entzug vorfinden. Deshalb müssen wir einen Großteil dieser 4 Säulen bei Kunststoff-Akteuren anwenden, bestehend aus Schwer- und Großindustrie, Einzelhandel und Handelsketten. Das ist der große Hebel.

Die werden natürlich nicht gern mitspielen …
Benedict Wermter:
Da kommen wir nicht um Verbote und Besteuerung herum. Um all diese Dinge, um die es schon seit vielen Jahren geht und für die seit vielen Jahren schon Lobbyarbeit gemacht wird, um das zu verhindern und zu verschleppen.

Gibt es bestimmte Hebel, die am größten sind?
Benedict Wermter:
Also Verbote und Besteuerung wären vermutlich schon sehr große Hebel. Aber das ist alles nicht so einfach. Es gibt Rebound-Effekte3 und das Ergebnis ist nicht immer vorhersehbar.

Natürlich haben auch Handelsketten und »In-Verkehr-Bringer«, wie sie in der Industrie heißen – also alle, die Plastik benutzen und beispielsweise als Verpackung auf den Markt bringen – einen großen Hebel. Die können theoretisch viel mehr mit Mehrweg- und Pfandmodellen arbeiten, wobei da eine ganze Menge passieren muss.

Auch Pool-Verpackungen sind eine gute Idee, also dass sich zum Beispiel verschiedene In-Verkehr-Bringer wie Rewe und Aldi oder auch Nestlé und Unilever zusammentun und eine standardisierte Verpackungsform finden, die ganz einfach ist und die man auch wieder zurücknehmen kann. So etwas kann nicht von uns als Verbrauchern und Konsumentinnen ausgehen.

In Ihrem Buch beschreiben Sie Ihre Idealvorstellung so: »Wir brauchen keine Do-it-yourself-Wirtschaft, sondern eine Do-it-themselves-Economy.« Was ist damit gemeint?
Benedict Wermter:
Man sieht das an Unverpacktläden und auch an ökologischer Landwirtschaft – ich war selbst mal in so einer Gruppe, wir haben mit 60 Parteien in Berlin ein Feld bestellt und eigenes Gemüse angebaut – das ist alles nice to have. Das sind auch wichtige Entwicklungen. Aber sind die gesellschaftlich und wirtschaftlich skalierbar? Ist das etwas, das massentauglich ist? Das ist die Frage.

Also reicht es nicht, wenn nur mehr Menschen bewusster auf Plastik verzichten?
Benedict Wermter:
Do-it-yourself wie private Unverpacktläden sind oft Nullsummenspiele. Das rechnet sich nicht, das kann sich auch kaum jemand leisten. Deswegen muss die Industrie das schon selbst lösen. Dafür müssen rechtlich die Leitplanken vernünftig gestellt werden, damit das passiert. Das war unser Punkt.

Immer mehr Unverpacktläden schließen, mitunter wegen der steigenden Lebensmittelpreise. Auch Abfüllstationen in Supermärkten schaffen es bisher nicht, sich zu etablieren.

Benjamin Brunner | Unsplash (CC0 1.0)

Und das ist dann ja der Punkt Regulierung von Plastik. Wie Sie auch im Buch erwähnt haben, gibt es das weltweite Abkommen gegen Plastikverschmutzung, an dem derzeit gearbeitet wird. Was erhoffen Sie sich davon?
Benedict Wermter:
Es ist, wie der Herr Bundeskanzler immer so schön sagt, »richtig und wichtig, dass es das gibt«. Es stand schon seit Jahren zur Diskussion, dass es ein solches interstaatliches Abkommen geben müsste. Es gibt seitens der Industrie seit vielen Jahren Versprechen, freiwillige Selbstverpflichtungen und Business-to-Business-Abkommen. Aber diese 20 oder 30%, die sie versprechen zu reduzieren oder mehr Rezyklat einzusetzen, kommen nie. Jetzt sehen wir aber einen Wandel. Die Industrie schreitet momentan mit Beratungsagenturen voran und sagt: »Wir brauchen und möchten das auch auf staatlicher Ebene verankern.« Das wird derzeit auf UN-Ebene verhandelt.

Moment mal, die Industrie kommt von sich aus?
Benedict Wermter:
Ja, das ist erst mal ein sehr spannender Moment. Gleichzeitig sieht man aber, dass die Pro-Plastik-Staaten wie Saudi-Arabien und die USA, wo viele reiche und mächtige Öl- und Chemiekonzerne sitzen, Probleme damit haben. Jetzt sieht man schon leider in der zweiten Verhandlungsrunde, wie das langsam verebbt und zerredet wird. Ich persönlich denke, es muss passieren, und ich hoffe, dass die Obergrenzen zur Plastikproduktion, die auch besprochen werden, verbindlich umgesetzt werden. Aber ich bin skeptisch, was uns die nächsten 1,5 oder 2 Jahre verhandlungstechnisch bringen werden.

In der EU haben wir schon Richtlinien und Gesetze wie den Green Deal.4 Dann gibt es aber immer wieder Mitgliedstaaten, die das torpedieren und Strafen für nicht recyceltes Material mit Steuergeldern begleichen und auf gut Deutsch darauf scheißen, ihre Industrie in die Pflicht zu nehmen. Das ist der größte Missstand von allen. Es geht alles in die richtige Richtung, aber es muss letzten Endes auch mit einem harten Sanktionsregime umgesetzt werden. Und das heißt dann auch Strafverfolgung.

Überkommt Sie da auch manchmal so ein Ohnmachtsgefühl?
Benedict Wermter:
Ich ärgere mich eigentlich eher. Es gibt schon haufenweise vernünftige Lösungen. Das ist alles keine Raketenwissenschaft. Beispiel Recycling: Wir brauchen gar nicht Enzyme, die Verpackungen auffressen, oder all diese Dinge. Wir haben eigentlich schon alles, was es an Vermeidungsstrategien gibt – Systeme, die man wieder befüllen und zurücknehmen kann. Es ist alles da. Es ist nur teurer oder aufwendiger. Das ist das Problem.

Und ja, es gibt Konzerne wie die Schwarz-Gruppe, die Lidl und Kaufland betreiben und die ganz viel machen. Die haben ihr eigenes Abfallunternehmen aufgebaut und dafür auch Entsorger und Recycler aufgekauft. Aber die machen das nur, wenn für sie am Ende ein Plus dabei herauskommt! Wir werden vermutlich keine flächendeckenden Strategien sehen, die das Wachstum behindern. Das macht mich ohnmächtig.

Ist das nicht auch ein Problem des Kapitalismus?
Benedict Wermter:
Das ist das Dilemma, alles muss weiterwachsen, es wird alles immer mehr. Auch der Müll wird immer mehr. All das, was man versucht zu reduzieren oder zu recyceln, kann dieses Wachstum nie bewältigen.

Mich ärgert einfach, dass viele große Handelsketten und -marken wie Aldi Süd und Aldi Nord gar nichts in der Hinsicht machen. Warum greifen die keine anderen Vertriebsmodelle auf? Dahinter stecken die reichsten deutschen Familien. Wieso können die das nicht weiter vorantreiben? Deutschland ist im Ingenieurwesen in der Geschichte immer Vorreiter gewesen. Da ist es zu erwarten, dass da ein bisschen mehr passiert.

Wie gehen Sie gegen diese Gefühle vor? Oder wie wandeln Sie Ihre Wut oder Ihren Frust darüber zu etwas Positivem um?
Benedict Wermter:
Ich würde mich selbst nicht als frustrierten oder wütenden Menschen bezeichnen. Es ist nicht so, dass ich daran verzweifle. Ich erfülle halt mit der journalistischen Arbeit einen Informationsauftrag. Wir arbeiten an diesem Missstand mit der Recherche.

Es ist natürlich auch wichtig zu sehen: Auch in Deutschland ist Recycling noch nicht das, wofür es stehen soll, wir haben unsere Probleme und sind nicht klimaschonend unterwegs, aber wir haben Recycling hier ziemlich gut gemanagt. Es ist eher global gesehen ein Riesenproblem. Ich bin viel in Indonesien und in Asien unterwegs, und es ist in Afrika und teilweise in Südamerika genau dasselbe. Dort sind wirklich die Müllhalden der Welt und da wird es schon beängstigend. Gleichzeitig sind sie die Wachstumsmärkte der Industrie. Das muss nicht frustrieren oder depressiv machen, aber da überkommt einen schon ein schockierendes Gefühl.

Wie kriegen wir denn die reichen Familien, welche die Verantwortung für die Geschäftspraktiken von Aldi und Co. tragen, dazu, sich mehr zu engagieren, mehr zu machen?
Benedict Wermter:
Ich hoffe durch den Druck, den wir medial erzeugen. Zum einen dadurch, dass es gesellschaftlich Thema ist. Zum anderen dadurch, dass es medial und auch zu Hause diskutiert wird – und dass das hoffentlich Anpassungsdruck erzeugt. Wir haben in Deutschland beispielsweise eine Mehrwegangebotspflicht. Davon bekommt so gut wie niemand etwas mit.

Seit Januar 2023 müssen auch kleine Imbissbetriebe Kund:innen erlauben, ihre Speisen oder Getränke in mitgebrachte Behälter abzufüllen, wenn sie keine Alternative zu Einwegplastik-Verpackungen anbieten.

Copyright picture alliance/dpa | Felix Kästle

Es kommt mir aber so vor, als ob diese Maßnahmen nur dazu da sind, um das Gewissen zu beruhigen. Da muss es doch ganz einfach eine flächendeckende Mehrwegpflicht für bestimmte Artikel geben. So bekommt man auch den Handel in die Pflicht, das wäre ein Instrument. Oder wir könnten über eine Polymersteuer reden. Die wird bei der UN im Rahmen des weltweiten Plastikabkommens jetzt diskutiert. Einige afrikanische Staaten wollen, dass Hersteller von Polymeren schon in einen Fonds einbezahlen, der dann hintenraus die Umweltprobleme und Aufräumaktionen auffängt – egal wo diese anfallen.

Wir haben jetzt sehr viel über Verpackungen in Supermärkten gesprochen, aber Plastik wird ja nicht nur für Konsum oder Alltagsgegenstände verwendet, sondern steckt noch in vielen anderen Dingen. Es wird auch im Hausbau verwendet und die Polymere für Arzneimittel …
Benedict Wermter:
Exakt. Ein Kernproblem ist, dass Plastik als Primärkunststoff zu günstig ist. Die Herstellung wird gar nicht besteuert. Es gibt in den meisten Ländern nicht einmal eine Mineralölsteuer da drauf. Wir bezahlen Steuern auf Treibstoffe, aber diese ganze Plastikherstellung und Lieferketten passieren überwiegend steuerfrei. Das führt dazu, dass neue Kunststoffe viel zu günstig im Vergleich zu recycelten Kunststoffen sind. Dabei ist es ja möglich, Kunststoffe zu recyceln – es rechnet sich nur oft nicht.

In Deutschland gilt die erweiterte Herstellerverantwortung. Das heißt: Jeder, der Plastik oder eine Verpackung auf den Markt bringt, muss für die Entsorgung bezahlen, sodass die Abfallwirtschaft finanziert wird. Eine Besteuerung der Produktion könnte helfen, die sogenannten »Polymer-Fees«. Sie würde die Herstellung von Neukunststoff verteuern und dadurch sollte dann bestenfalls das Rezyklat finanziell wieder attraktiver werden.

Was sind denn Lösung oder Ideen anderswo, die Sie beeindruckt haben?
Benedict Wermter:
Wenn ich nach Indonesien schaue, werden sich die Menschen dort keine teure Technik leisten können. Da ist es schon beeindruckend, wenn dort eine Halle aufgestellt wurde, wo 2 Förderbänder laufen, um den Müll manuell zu sortieren. Das ist dann schon ein kleiner Erfolg.

Ich halte fest: Lösungen sind da, wir müssen sie nur endlich umsetzen und großflächig anwenden. Mir hat das Lesen Ihres Buches auch Hoffnung gemacht. Denn ich habe zum Beispiel gelernt, dass immer mehr nachhaltige Patente für Kreislauf-basierende Lösungen angemeldet werden. Also können wir doch noch zuversichtlich in die Zukunft schauen?
Benedict Wermter:
Ja, ich denke, das können wir. Weil die Menschen, mit denen wir gesprochen haben für das Buch, auch Entscheidungsträger sind oder Leute, die in Konzernen arbeiten. Sie denken, dass die kleinen Schritte, die sie machen, notwendig und gut sind. Da ist einiges passiert in den letzten Jahren. Da sind Menschen in den Unternehmen, die nun größere Schritte machen wollen, Dinge wagen wollen. Genau das brauchen wir jetzt. Jetzt braucht es ein Stück weit Wagnis und Leute, die vielleicht auch mal ein kleines Minus oder eine etwas größere Investition in Kauf nehmen. Der gesellschaftliche Druck und die Akzeptanz sind da.

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